Zeit für Gefühle
Endlich vorbei, die Zeit dazwischen. Die neue Saison ist bereits in vollem Gang, und das bedeutet: brechend volle Stadien, grandiose Spielzüge und jubelnde Fans. Verlierer gibt es auch: entlassene Trainer, frustrierte Präsidenten, hilflose Manager. Aber das gehört zum Spiel.
Der Rasen muss brennen
Weinende Zuschauer, pöbelnde Spieler, tobende Trainer: Fussball ist Emotion pur. Für alle, die das ebenso sehen, ist klar: Ein Fussballspiel dauert mehr als 90 Minuten – es füllt ein ganzes Leben. Ein guter Grund, um sich mit dem runden Leder anzufreunden.
Willkommen im Club der toten Worte
Es gibt Worte, die gibt es gar nicht. Oder zumindest nicht mehr. Denn früher war, wie wir wissen, alles anders. Auch die Sprache. Man schwafelte von Kordialität und meinte Herzlichkeit, laberte und schwadronierte kreuz und quer durch die Gegend, was das Zeug hielt.
Wissen, das die Welt nicht braucht
Ich weiss, dass ich nichts weiss. Und wenn’s Ihnen auch so geht, sind wir schon zwei. Der Dritte im Bunde war Sokrates, der sich mit eben dieser Aussage unsterblich gemacht hat. Dabei hat der alte Grieche gar nie behauptet, dass er nichts weiss.
Das Komma liegt im Koma
Wer einmal lügt, dem glaubt man, nicht? Oder etwa doch nicht? Egal. Denn die Zeiten, als die alte Rechtschreibung solche Feinheiten für uns bereit hielt, sind längst vorbei. Grund genug, zurückzublicken und dem Komma wieder einmal die Ehre zu erweisen.
Blüten mit Stil
Was wäre die Welt ohne Kinder? Ohne all die kleinen Wesen, die uns zwischen den Beinen herumwuseln und seltsame Laute von sich geben? Ich sag’s Ihnen: ein wahres Trauerspiel. Denn sie sind nicht nur unendlich süss, sondern haben auch eine ganz eigene Logik.
Crashkurs in Denglisch
Es gibt eine Grauzone auf dieser Welt. Darin leben Menschen, die etwas sprechen, das es gar nicht gibt. Sie denken deutsch und meinen, sie reden englisch. Das ist natürlich falsch. Denn deutsch ist das eine und englisch das andere. Pull you warm on!
Neues aus dem Deutschlabor
Ein Freud’scher Versprecher (nach Sigmund Freud), auch Lapsus linguae genannt, ist eine sprachliche Fehlleistung, bei der ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zu Tage tritt. Alles klar? Ich stehe rückgratlos hinter Ihnen.
Das ABC der Anatomie
Die Wirbelsäule ist ein zusammengesetzter Knochen, der den Rücken hinunter läuft. An ihrem oberen Ende sitzt der Kopf; am unteren Ende sitze ich.
Mein Name sei Nase …
Er war Spezialist für Nasen. Sein Leben lang hatte er Nasen konsultiert, kontrolliert, von innen und aussen geprüft, Scheidewände betrachtet, Polypen entdeckt, Verengungen festgestellt und Schleimhäute eingeschätzt. Oft hatte er auch Nasen zu operieren, Knorpel wegzumeisseln, Luftwege freizuschaben und alles wieder sorgfältig zu vernähen.
Kurz: er hatte mit Nasen zu tun und nochmals Nasen. Und immer waren es andere Nasen, verschiedene Nasen, neue Nasen. Im Lauf der Jahre begann er die Menschen an ihren Nasen zu messen. Er las ihren Charakter an ihren Nasen ab. Er lernte geradlinige Menschen kennen, hatte sich mit krummen Typen herumzuschlagen und sah auf einen Blick, ob jemand stumpf oder gar stups war.
Es gab aber auch solche, die nur vorgaben, geradlinig zu sein, in Wahrheit aber das pure Gegenteil waren: Ein Blick ins Innere der Nase überzeugte ihn davon. Der Spezialist liebte seine Nasen, ja er konnte sich ein Leben ohne Nasen nicht mehr vorstellen. Anfangs hielt man es für Fleiss, für Interesse. Seine Kollegen bewunderten den Eifer, mit dem er sich hinter die Nasen machte. Seine Frau, seine Kinder und seine Freunde hingen an seinen Lippen, wenn er von Nasen sprach, wenn er sie mit Worten streichelte. Sie freuten sich mit ihm, waren stolz auf ihn, den angesehenen Spezialisten für Nasen. Anfangs.
Seine Frau war die erste, die das Verzückte in seinem Blick bemerkte. Es entging ihr nicht, wie er sie musterte, wie er mit starren Augen ihre Nase abtastete. Sie wagte es aber nicht, ihn darauf anzusprechen, wie konnte sie ihm schliesslich im Wege stehen, wenn er zur Nase berufen war. Aber es machte ihr zu schaffen. Dass die Kinder seine Leidenschaft für Nasen nicht teilten und sich immer öfter gelangweilt von ihm abwandten, deutete sie kaum als ein warnendes Zeichen.
Als aber selbst gute Freunde begannen, sie auf der Strasse zu übersehen, an ihr vorbeihuschten und mit fadenscheinigen Entschuldigungen weiteren Einladungen aus dem Wege gingen, war sie zutiefst beunruhigt. Etwas musste geschehen. Und sie beschloss, das Schweigen zu brechen.
Er war mittlerweile so weit, dass er von Nasen träumte. Gross erschienen sie ihm und sprachen zu ihm. Wilfried, pflegten sie zu sagen, du hast Nase bewiesen. Du bist unser Freund. Was auch immer geschehen mag, wir sind bei dir. Nur, verrate uns nicht, niemals.
Fortan lebte Wilfried wie in Trance, es war ihm nicht mehr möglich, zwischen Mensch und Nase zu unterscheiden. Einmal, in der Praxis, als er gerade eine Patientennase untersuchte, fragte er geistesabwesend: Sind wir uns nicht schon mal begegnet? Doch, flüsterte die Nase, sie haben mich vor einem Jahr operiert.
Wilfried, sagte seine Frau, als er wieder einmal in Nasen versunken war, ich muss mit dir sprechen. Du bist so anders geworden in letzter Zeit. Immer redest du von Nasen, immer denkst du an Nasen. Manchmal scheint mir, ich bin nur noch Nase für dich. Die Kinder gehen dir aus dem Weg, deine Freunde wollen nichts mehr von dir wissen.
Was ist bloss in dich gefahren? Rosa, meine Nase, ich weiss nicht, wovon du sprichst. Hast du Grund, dich über mich zu beklagen. Habe ich dich denn mit einer anderen betrogen? Rauche ich? Trinke ich? Bin ich abends am Stammtisch und dresche meine Phrasen an die Wand? Hure ich etwa hinten herum und spiele vorne den Biedermann? Oder habe ich Angst vor meiner Meinung? Bin ich duckmäuserisch, frustriert? Ich verstehe dich nicht. Du hast einen Mann, der sich Nasen zum Beruf und den Beruf zur Leidenschaft gemacht hat. Was ist daran auszusetzen?
Mein Lieber, verstehe mich bitte richtig. Nicht, dass ich deine Leidenschaft für Nasen nicht einsehen könnte, nein. Es ist vielmehr, dass mir scheint, du sähest nur noch Nasen. Das ist es, was mich stutzig und, damit es gesagt ist, auch ein wenig traurig macht. Rosa hatte nicht den Mut, ihm zu sagen, dass sie sich wegen der Nasengeschichte scheiden lassen wollte.
Nasa, warum bist du nur traurig? Komm in meine Arme und zeig mir deine Rose. Weisst du eigentlich, dass ich sie liebe wie am ersten Tag?
Das war entschieden zuviel. Aber Rosa war zu schwach, sich dagegen aufzubäumen, dass er sie heute wieder untersuchte. Es wird Zeit, dass wir operieren, sagte er sachlich, wie jeden Tag. Ich gebe Ihnen einen Termin.
In solch schicksalsschweren Momenten pflegte er sie zu siezen. Der Eingriff dauert eine knappe halbe Stunde. Ein bisschen Knorpel, ein kleiner Polyp. Wollen sie Vollnarkose oder Lokalanästhesie? Rosa aber hörte nichts mehr von seinen letzten Worten. Sie war bereits betäubt. Sie schwebte durch ein Niemandsland und malte sich ein Leben aus an der Seite eines Partners, der ideal ist.